Auf der DLD Women Conference habe ich in der vergangenen Woche ein Interview mit Katharina Borchert geführt, der Geschäftsführerin von Spiegel Online. Ein Gespräch über die veränderte Rolle der Journalisten, Leserkommentare auf Facebook und die Herausforderung durch mobile Internetnutzung.
In der Diskussionsrunde mit Donata
Hopfen von Bild Digital und Svetlana Mironyuk von RIA Novosti aus
Russland hast Du gesagt, dass Spiegel Online ein breiteres
Themenspektrum abdeckt als das Magazin. Das ist mir schon bei vielen
Web-Ausgaben von Printmedien aufgefallen. Woran liegt das?
Katharina Borchert: Bei Spiegel
Online ist das, wie bei vielen anderen auch, historisch gewachsen. In
der frühen Internetphase waren es Ressorts wie Auto und Reise, in
denen Anzeigen geschaltet wurden. Deshalb haben wir diese Themen
aufgegriffen. Aber die inhaltliche Weiterentwicklung
hat vor allem mit den Interessen unserer Nutzer zu tun. Wir haben zum
Beispiel ein sehr starkes Wissenschaftsressort. Artikel aus der
Wissenschaft sind fast täglich unter den zehn meistgelesenen. Dabei
spielen auch Gesundheitsthemen eine große Rolle. Also haben wir uns
in dem Bereich jetzt redaktionell deutlich verstärkt und ein eigenes
Gesundheitsressort "ausgegründet".
Nach dem Motto „Online kann man's
machen, der Auftritt im Web ist nicht so wichtig“?
Borchert: Dieses Motto galt bei
uns noch nie. Wir sind uns der Erwartungen, die man an die Marke
Spiegel knüpft, sehr bewusst. Es ist ja eher ungewöhnlich, dass ein
Wochenmagazin Nachrichtenführer im Internet wird und nicht eine
Tageszeitung. Unser Anspruch an journalistische
Qualität steht immer an erster Stelle, weshalb wir auch immer stark
in Personal investiert haben.
Es gibt immer noch Verlage, die auf
eine eigene Onlineredaktion verzichten.
Borchert: Schlechten
Journalismus im Netz kann sich kein Medium mehr leisten. Heute werden
Marken im Netz geprägt. Es reicht schon lange nicht mehr aus,
einfach nur Agenturmeldungen ins Web zu stellen. Spiegel Online hat –
wie viele andere Internetauftritte auch – sehr stark von der
Printmarke profitiert, aber inzwischen haben viele Menschen den
ersten Kontakt mit der Marke übers Internet.
Viele Kollegen aus Print und TV, und
nicht nur die älteren unter ihnen, fühlen sich vom Internet
bedroht.
Borchert: Das kann ich
verstehen. Das Web verändert die Arbeitsweise, das Selbstverständnis
und die wirtschaftliche Grundlage der Journalisten. Der Druck steigt,
die festen Stellen werden weniger und die Zeit der absoluten
Wissenshoheit ist vorbei.
Du meinst die Zeit des Journalisten,
der seinen Lesern die Welt erklärt?
Borchert: Genau. Heute muss ich
mit Widerspruch leben und kann Kommentare nicht einfach in den
Papierkorb werfen wie Leserbriefe. Früher haben sich die Menschen am
Stammtisch in kleiner Runde über Artikel aufgeregt, heute
veröffentlichen sie ihre Meinung auf Facebook und Twitter oder
direkt in unseren Kommentaren und jeder kann sie lesen. Manchmal ist
die Kritik berechtigt, dann kann ich als Journalistin vom Wissen der
Leser profitieren. Das ist großartig. Leider sind jedoch viele
Kommentare, gerade zu Meinungsartikeln, in einem Tonfall verfasst,
der im echten Leben so garantiert nicht gegenüber der betreffenden
Person geäußert werden würde. Damit umzugehen ist nicht einfach.
Wie setzt Ihr bei Spiegel Online
Social Media ein?
Borchert: Wir haben ein eigenes
Team aus Social-Media-Redakteuren. Das sind Kollegen, die einen
redaktionellen Hintergrund und journalistische Erfahrung haben. Das
ist uns wichtig. Wir wählen gezielt aus, was wir dort
veröffentlichen, verlinken auch auf externe Quellen und diskutieren
deren Inhalte. Wir experimentieren viel und lernen jeden Tag dazu.
Spielt Ihr Facebook und Twitter
unterschiedlich?
Borchert: Definitiv. Facebook
ist kommunikativer, interaktiver und ähnelt damit Google+. Es lebt
von der Nutzerbeteiligung und ist auch ein bisschen "weicher".
Dort wünschen wir unseren Lesern z.B. guten Morgen und gute Nacht.
Twitter ist mehr ein Medium für die harten News, obwohl dort auch
charmante Webfundstücke gepostet werden. Geschwindigkeit spielt auf
Twitter eine viel größere Rolle als auf Facebook. Insgesamt ist
Twitter rein journalistisch betrachtet das relevantere Medium. Ich
persönlich bin ein großer Twitter-Fan.
Ein wichtiges Thema auf der DLD
Women war auch Mobile.
Borchert: Mobile ist eine
Herausforderung: ein großer Wachstumsmarkt, der derzeit noch schwer
zu monetarisieren ist. Er verändert auch Nutzungsverhalten und
-zeiten. Viele Menschen wollen jetzt schon früh morgens im Bett oder
auf dem Weg zur Arbeit einen ersten Nachrichtenüberblick haben. Sie
wollen noch schneller informiert sein, bei wichtigen politischen
Ereignissen steht inzwischen ebenso wie beim Sport ein Liveticker im
Fokus. Darauf müssen wir reagieren, das verändert auch unsere
Arbeitsweise.
Im Internet ist viel in Bewegung.
Wohin wird sich Deiner Meinung nach der Onlinejournalismus
entwickeln?
Borchert: Die Geschwindigkeit
wird weiter zunehmen und sich der Echtzeit nähern. Das finde ich
gleichermaßen spannend wie schwierig, denn wir wollen unsere
Fehlerquote möglichst niedrig halten. Vielleicht werden wir nicht
bei allen Themen die Ersten sein, die damit rausgehen, weil wir jede
Meldung gründlich verifizieren. Ich könnte mir jedoch vorstellen,
eine Entwicklung vorab auf Twitter zu melden mit dem deutlichen
Hinweis, dass wir gerade an der Überprüfung arbeiten. Das wird ja
vielfach schon getan, aber wir diskutieren intensiv, wie wir
langfristig damit umgehen.
Ein sehr interessantes Interview!
AntwortenLöschenInne gehalten habe ich vor allem bei "Der Druck steigt, die festen Stellen werden weniger und die Zeit der absoluten Wissenshoheit ist vorbei."
Sowohl das Printmagazin als auch spiegel online sind mir seit vielen Jahren recht geläufig.
In der Tat sehe ich die Abkehr vom Anspruch der Wissenshoheit aber vor allem in den 90ern. Gerade in Bezug auf Quellenangaben hatte ich damals noch das Gefühl, dass nicht selten "steht im Spiegel" schon als allgemeingültiges Qualitätsmerkmal der Quelle verkauft wurde. ;-)
Heute habe ich das Gefühl, die thematische Breite des Onlinemagazins hat mittlerweile leider auch schon die ersten Randbereiche von bild.de erreicht - zu meinem großen Bedauern nicht nur in Themenauswahl, sondern auch Relevanz und journalistische Qualität.
Auch wenn die Zeit des Wissens-Gatekeepers sicher vorbei ist. Das bedeutet nicht, dass Journalisten vor dem Hintergrund ihrer Ausbildung und des Anspruchs an die eigene Qualität die Kommunikabilität ihrer Arbeit in den alleinigen Vordergrund stellen sollten.
Von einem Auslandskorrespondenten erwarte ich etwa nicht weniger, als dass er/sie mir etwas über Ort und Lage der Region vor Ort erklärt. Ich erwarte, dass deren Vernetzung am Einsatzort so gut ist, dass er/sie definitiv „die Welt“ zumindest etwas erklären kann. Nur Themen setzen und dann der öffentlichen Kommunikation "zum Fraß" vorsetzen, das macht schon BILD - erschreckend erfolgreich.
Ich finde, ein Rest von Bildungsauftrag würde gerade spiegel online nicht schlecht stehen. Beim Focus erwarte ich das nicht... hab ich noch nie. ;-)
Mit besten Grüßen!
Als uralter Spiegel-Leser, und taeglicher Spiegel-online Leser faellt mir auf:
AntwortenLöschen1. SPON versucht mit sensationellen Ueberschriften zu punkten.
2. Berichte aus dem Ausland wirken wie abgeschrieben.
3. DER SPIEGEL verliert als "Sturmgeschuetz der Demokratie" an Wert, da nur noch auf etwas hoeherem Niveau als in der Springerpresse Unterhaltendes verbreitet wird.
4. Schlechter Journalismus bedeutet das Ende einer Institution.