Mittwoch, 11. Juli 2012

Von Bossen, Babys und dem Terroristen in der Tasche



Bisher hat sie mich nicht überzeugt. Bis... heute. Heute habe ich Ursula von der Leyen, Arbeitsministerin und CDU-Vorstandsmitglied live auf der DLDWoman sprechen hören. Eine beeindruckende Frau, die mit der Selbstsicherheit derer, denen vieles in die Wiege gelegt wurde, das Beste aus sich gemacht hat. Beeindruckende Präsenz. Große Gesten. Humorvoller Vortrag. Eine Frau, bei der sich das Zuhören lohnt. Ihr Thema: Die Zukunft der Arbeit. Dabei sieht sie drei Trends:

1. Flexibilität

Im Jahr 2020 wird die Arbeit flexibler sein - für von der Leyen eine gute Nachricht für jene Mitarbeiter, die Familie und Job kombinieren wollen. "Frauen wollen sich nicht länger zwischen Karriere und Kindern entscheiden müssen", so die Ministerin. "Wir wollen Bosse sein und Babys haben." Ich auf jeden Fall, und dem Applaus nach zu urteilen auch die meisten anderen DLD-Besucher, die nicht alle weiblich sind. Der Männeranteil auf dem DLDWoman entspricht ungefähr dem der Frauen auf anderen Konferenzen.

Nachteil der Flexibilität ist die ständige Verfügbarkeit. Von der Leyen: "Das Smartphone wird zum Terroristen in der Tasche." Das Abschalten sei notwendig. "Je steiler meine Karriere verlaufen ist, umso mehr genieße ich das Geschenk des Offline-Seins." Die Herausforderung bestehe darin, neue Technologie zu nutzen, ohne sich von ihr dominieren zu lassen.

2. Ergebnisorientierung

Die Zeit der Büropräsenz wird in Zukunft vorbei sein, glaubt die Politikerin. Projektarbeit ersetze oft Festanstellung. Statt Arbeitsstunden zählten Ergebnisse. "Doch das wird Jahre dauern und bis dahin brauchen wir eine Frauenquote." Applaus. Die Rückseite dieser Entwicklung sei eine drohende Isolierung und zunehmende Konkurrenz unter den Mitarbeitern. Ihr Rat: "Lasst uns hart arbeiten, aber lassen Sie sich nicht ausbeuten."

3. Neue Führung

Chefs brauchen neue Fähigkeiten, sie müssen motivieren und inspirieren, glaubt von der Leyen. "Und das ist unsere Stunde. Das können wir Frauen. Wenn wir flexibel sind und ausbalanciert bleiben, können wir die gläserne Decke durchbrechen. Und dann werden die Erwerbstätigen der Zukunft weiblich sein!"

Ob es dann einen DLDMen geben wird? Für Männer und andere Minderheiten?

4 Kommentare:

  1. Norbert "Nordbergh" Diedrich11. Juli 2012 um 17:42

    Dumm irgendwie nur, dass Frau von der Leyen die grundsätzlichen Widersprüchlichkeiten in ihren eigenen Ausführungen nicht mitbekommt/mitbekommen will/einkalkuliert!

    Beispiel: "Projektarbeit ersetze oft Festanstellung. Statt Arbeitsstunden zählten Ergebnisse. " Dahinter sehe ich lediglich die verkappte Verherrlichung unbegrenzt befristeter Anstellungen. Und damit soll sich persönliche Zukunft planen lassen? In Deutschland leben derzeit mehr als 15 Millionen Singles. Allein die fallen dann für eine Kinderplanung schon mal weg. Denn keine Planungssicherheit = keine Kinder. Ja ja, manche denken da vielleicht etwas... flexibler. Das Risiko dabei tragen aber auch die Kinder und nicht die flexiblen Eltern oder - was ist eigentlich 'Eltern' im Singular?

    Entschuldigung, aber die hier abgedruckten Aussagen von einer Bundesministerin hätte auch jeder Erst-Praktikant an seinem ersten Tag zusammenrecherchieren und in den Anschein von Relevanz verpacken können.
    Von einer Familienministerin erwarte ich etwas mehr Nähe zum echten Leben. Ich glaube nicht, dass sie schon mal in den Schlangen beim ArbeitsAMT stand. Und irgendwie denke ich erstmals nach Jahren wieder: Vielleicht ist das eine wichtige Voraussetzung/Erfahrung für den Job als Arbeitsminister/-in. ;-)

    Dass sie eine offenbar mit Charisma, Eloquenz und Humor ausgestattete Person ist, überrascht mich nicht. Neben einer unterschwelligen Neigung zum Masochismus gehört zu einem Politiker schon auch ein ordentliches Paket Darstellungs-Talent. Damit werden wahrscheinlich eh mehr Wählerinnen und Wähler überzeugt als mit Sachlichkeit. (Ich schließe mich als dafür empfänglich auch gar nicht aus.)

    Mit den besten Grüßen, Nordbergh ;-)

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    1. Ich stimme Dir zu: Die geforderte Flexibilität kommt in erster Linie den Unternehmen zu Gute, die sich auf diesem Weg nicht für ihre Mitarbeiter verpflichten müssen und gleichzeitig Verfügbarkeit außerhalb der klassischen Arbeitszeiten fordern können. Damit wird unternehmerisches Risiko an die Mitarbeiter ausgelagert, die am unternehmerischen Gewinn nicht beteiligt sind.

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  2. Hi Tanja,

    geht mit ähnlich mit von der Leyen, sie steigt in meinem Ansehen. Ob ihre Thesen allerdings so eintreffen, wage ich mal zu bezweifeln.

    Der deutsche Chef liebt halt doch die Präsenzkultur anstatt ergebnisorientiert zu managen. Das macht dem Chef deutlich mehr Arbeit und wenn sein flexibles Team nur selten im Büro auftaucht, kann er leider keine Macht mehr ausüben.

    Nicht nur die Arbeitszeiten müssen sich ändern, sondern viel mehr noch die Führungskultur. Wenn ich aber so manchen hoch-dynamischen, jungen Start-up-Chef sehe, von dem ich eigentlich erwarte, dass er lockerer oder einfach nur "anders" führen müsste, dann bin ich ziemlich schnell wieder auf dem Boden der Tatsache. Auch die neue Generation der Unternehmer macht dort weiter, wo ihre Väter aufhören.

    Schöne Grüße Susanne

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    1. Und viele Frauen machen ebenfalls dort weiter, wo ihre Mütter aufgehört haben. Beide Seiten müssen sich bewegen, damit sich etwas ändert. Und davon profitieren die Männer, denn auch die wünschen sich eine andere Unternehmenskultur, um Arbeits- und Privatleben zu kombinieren.

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