Wird 2010 als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem die Medienkonzerne anfingen, Zäune um ihre Angebote zu ziehen und ein Kassenhäuschen am Eingang zu installieren? Im Moment sieht es ganz so aus. Denn nur so ist der Aufschrei der Verleger und privaten Rundfunkanstalten zu erklären, mit dem diese auf die Ankündigung der ARD reagieren, eine kostenlose App für die Tagesschau auf den Markt zu bringen.
Der Axel Springer Verlag, der seine Apps für Welt und Bild auf Abobasis anbietet und für regionale Nachrichten von Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt, ja sogar für einen Newsletter abkassiert, spricht von Wettbewerbsverzerrung und brachte zuerst den Bund Deutscher Zeitungsverleger und tags darauf in der Bild auch gleich Politiker auf Linie - damit man gleich sieht, wer da zu wem gehört. Für die Wähler ist das natürlich auch praktisch, da weiß man gleich, wen man nicht wählen soll, wenn man seine Nachrichten weiter online lesen will.
Das Böse an der Tagesschau-App, so die Kritiker, sei ihre Kostenlosigkeit. Das hat Kai Gniffke, Chefredakteur Aktuell bei der ARD, in seinem heutigen Blogbeitrag sehr treffend gekontert: "Mich befremdet der Vorwurf gegen unsere potentielle Gratis-App doch sehr, zumal beinahe alle Verlage und Privatsender Gratis-Apps anbieten. Ich versuche mir gerade vorzustellen, welche Empörungswelle durch das Land ginge, wenn wir jetzt auch noch Geld für diese bereits von Gebühren finanzierten Inhalte nehmen würden."
Die Gefühlslage vieler Verleger gleich in diesen Tagen der eines enttäuschten Liebhabers. Sie haben sich so viel vom Internet versprochen - und jetzt gibt ihnen das Web ihre Mühe nicht zurück. Nachdem die Werbekunden nicht genug Geld auf den Tisch gelegt haben, sind jetzt die User dran.
Ich halte Bezahlmodelle für Nachrichten in Deutschland für unrealistisch. Nicht nur, weil 87 Prozent der Internetnutzer sie ablehnen, wie eine Gfk-Studie herausgefunden hat. (Diese Zahl stimmt mit unseren eigenen Umfragen überein.) Und auch nicht nur, weil Nachrichten im Web keine Mangelware sind, sondern Überfluss, und es sehr gute Gründe braucht, um etwas zu verkaufen, was andere gratis anbieten.
Ich lehne Paid Content für Nachrichten ab - und nur für diese - weil das Besondere am Internet gerade die Kultur des Teilens, Verlinkens und Weiterbearbeitens ist. Und nicht die des Abschottens. Wer Informationen kostenpflichtig macht, schließt zudem gerade jene Surfer vom Nachrichtenstrom aus, die das Internet besonders nötig haben. Die anderen können sich ja auch eine Zeitung kaufen oder Kabelfernsehen gucken.
Einen gute Überblick über die Argumente für und gegen Paid Content liefert die New York Times. (Abbildung: werbeschild24.de)
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